PREDIGT IM FESTGOTTESDIENST

AUS ANLASS DER WIDMUNG DER NEUEN KIRCHE IN SCHENKENBERG

AM SONNTAG REMINISCERE

12. MÄRZ 2006

Josua 24,14-16

I.

„Ein Traum geht in Erfüllung!“ „Alles läuft nach Plan.“ Mit solchen Schlagzeilen ist Schenkenberg zum Gesprächsstoff geworden.Und das hat gute Gründe. Mit Ihnen allen freue ich mich, dass wir heute am Sonntag Reminiscere die Schenkenberger Kirche mit einem Festgottesdienst in Gebrauch nehmen können. Nicht jeder kennt den wunderschönen Ort, aber in diesen Tagen werden es mehr. Heute leben fast 1.600 Einwohner in Schenkenberg, darunter zahlreiche junge Familien. Das Ortsbild hat sich seit den neunziger Jahren enorm verändert. Es ist bunter geworden. Sportverein und Feuerwehr finden regen Zuspruch. Kita und Schule sind voller Leben. Die Kirchengemeinde wächst; sie steht vor großen Herausforderungen. Es geht um die Beheimatung von Kindern und Jugendlichen im Glauben und damit in ihrem Leben, um die Gemeinschaft von Neubürgern und Alteingesessenen. Gerade die Älteren sollen nicht auf der Strecke bleiben. Die Gemeinde möchte die Menschen aller Altersgruppen dazu einladen, Zugang zum Glauben zu finden. Dabei sind Sie in den letzten Jahren an räumlichen Grenzen gestoßen. Sie befanden sich in der paradoxen Situation, befürchten zu müssen, es könnten zu viele Kinder in den Gottesdienst kommen, weil der Kindergottesdienstraum zu eng war. Doch ehe Sie als Gemeinde ausladend wirken, haben Sie sich dazu entschlossen, einladend zu sein. Sie haben das Anwachsen der Gemeinde als Chance begriffen und einen Um- und Erweiterungsbau des Gemeindehauses geplant. Ein Kirchengebäude bietet Raum, um das Wort Gottes zu rühmen. Dieses Wort bleibt nicht bei sich und für sich. Es sucht sich einen Ort in dieser Welt, um in ihr zu wohnen. Die Einwohnung Gottes trägt einen Namen und hat eine Gestalt: Jesus Christus. Um Jesu Namen, um seine Gestalt und sein Wort ging es in Schenkenberg von Anfang an, als die Siedlung 1926 gegründet wurde. In Zeiten von Weltwirtschaftskrise und gravierenden politischen Umwälzungen waren damals viele Menschen auf der Suche nach einer neuen Existenz. Siedler aus Russland, sogar aus Sibirien, kamen nach Schenkenberg, aber auch aus Pommern, Westpreußen und Schlesien ebenso wie aus dem rheinisch-westfälischen Raum. Viele unter ihnen brachten einen Traum in ihre neue Siedlung mit. Sie wollten hier nicht nur Haus und Hof errichten, sondern auch eine Kirche bauen. Doch die Zeiten verwehrten es. Nationalsozialismus, 2. Weltkrieg und 40 Jahre DDR machten einen Kirchenbau unmöglich. Und mehr noch: Diese Zeiten trugen allesamt zum Gemeindeabbau bei. Während ursprünglich noch beinahe alle Einwohner Schnenkenbergs Christen waren, schrumpfte die Zahl der evangelischen Gemeindeglieder bis zum Jahr 1992 auf 26 Prozent. Doch so klein die Gemeinde auch wurde, für die verbliebenen Christen war es selbstverständlich, ihren Glauben erkennbar und einladend zu leben. Heute erleben wir einen Neubeginn. Die unermüdliche Spendenfreudigkeit und die Bereitschaft zahlreicher Menschen mit ihrem Organisationstalent, mit ihrer Begabung, mit Zeit und Kraft haben dazu beizutragen, dass die kleine Kirche in Schenkenberg eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben werden kann. Wer diesen Sonntag hier in Schenkenberg miterlebt und sich den Einsatz vergegenwärtigt, der ihm vorausging, der kann nur fröhlich ausrufen: Die Kirche lebt! Voller Dankbarkeit halten wir inne und bergen uns in Gottes Wort, um ihm die Ehre zu erweisen. Dazu hören wir einen Abschnitt aus dem 24. Kapitel des Buches Josua:

II.

Josua sagt zu den versammelten Israeliten in Sichem: So fürchtet nun den HERRN und dient ihm treulich und rechtschaffen und lasst fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Euphratstroms und in Ägypten, und dient dem HERRN. Gefällt es euch aber nicht, dem HERRN zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter gedient haben jenseits des Stroms, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. Da antwortete das Volk und sprach: Das sei ferne von uns, dass wir den HERRN verlassen und andern Göttern dienen! (Josua 24,14-16)

Die äußeren Bedingungen dieser Rede sind schnell beschrieben. Mose sieht das gelobte Land aus der Ferne, er betritt es jedoch nicht mehr. Nach vierzigjähriger Wüstenwanderung haben die Israeliten das Jordantal erreicht. Mose, dessen Augen nur noch einen flüchtigen Blick auf die Zukunft werfen können, entscheidet, dass Josua die Führungsaufgabe übernehmen soll, und stirbt. Josua aber führt die Seinen durch den Jordan hindurch ins gelobte Land. Dabei erweist er sich als Vorbild im Glauben; und die Israeliten richten sich an ihm aus. In seiner Rede, die er in Sichem vor dem gesamten Volk hält, provoziert er zu einer bewussten Entscheidung für Gott: So fürchtet nun den HERRN und dient ihm treulich und rechtschaffen und lasst fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Euphratstroms und in Ägypten, und dient dem HERRN. Und er untermauert seine Mahnung mit einem Bekenntnis: Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. Josua stellt den in der Wüste geborenen Israeliten die Alternative vor Augen. Entweder ihr fallt zurück in die Gewohnheiten eurer Väter. Oder aber ihr vertraut den neuen Erfahrungen, die ihr auf dem Weg durch die Wüste gemacht habt. Da antwortete das Volk und sprach: Das sei ferne von uns, dass wir den HERRN verlassen und andern Göttern dienen!

III.

Hier in Schenkenberg wird damit gerechnet, dass Menschen in Freiheit Ja zu einem Leben im Vertrauen auf Gott sagen werden. Hier wird damit gerechnet, dass Kinder und Jugendliche sich um das Evangelium versammeln werden, das so direkt in ihr eigenes Leben hineinspricht. Es wird damit gerechnet, dass sie sich mit ihren Familien nicht damit abfinden, dass die Verbindung zu dieser Kraftquelle des Lebens durch Kirchenaustritt oder die schleichende Gewohnheit der letzten Jahrzehnte zum Erliegen kam. Die wegweisenden Leuchtfeuer des Evangeliums nur aus Gewohnheit und ohne Grund zu ignorieren, hat keinen Sinn. In diesem Kirchraum werden bald – so Gott will und wir leben - Taufen, Hochzeiten und Konfirmationen gefeiert. Mit Ehrfurcht und einem gewissen Stolz werden sich hier die Schenkenberger gegenseitig vergewissern: Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen. Und sie werden sich darum bemühen, die Tür für Interessierte offen zu halten. Ihr neuer Kirchenraum ist eine gebaute Predigt und eine gestaltete Liturgie. Wir brauchen solche Räume für die Begegnung mit Gott, weil wir nur so erfahren, wozu wir berufen sind. Dieser Raum unterbricht das Gewohnte. Er lässt uns innehalten, gebietet unseren eigenen Worten Einhalt und öffnet uns für das Wort, das uns Wahrheit und Leben bringt. Wir sind auf solche Kirchenräume angewiesen. Sie wollen uns das Wort lebendig werden lassen. Und gleichzeitig gilt, dass das Wort den Kirchenraum als sakralen Raum erkennbar werden lässt. Die neue kleine Kirche ist wie ein in Stein gebautes Bekenntnis: Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen.

IV.

Die alten Schenkenberger wissen es: Es ist nicht das erste Mal, dass das Gemeindehaus auf dem Gelände am Friedhof eine Widmung erhält. Die LPG Obstproduktion Damsdorf hatte einst ein Auge auf das halbe Hektar Fläche um das alte Gutsgebäude in Schenkenberg geworfen. Haus und Boden gehörten der Kirchengemeinde. "Die wollten unseren Acker", so erfuhr man in der Kirchengemeinde. Ein Sommerlager für Erntehelfer sollte darauf entstehen. Die LPG schickte Bürgermeister Udo Müller vor. Er sollte beim Gemeindekirchenrat herausbekommen, ob die Gemeinde die Flächen abgeben würde. Die Angelegenheit kam in Bewegung: Zur Überraschung der Gemeinde ließ sich die LPG auf das Geschäft ein - der Kirchenacker gegen den Neubau eines Gemeindehauses am Friedhof. Bis dahin war der Evangelischen Gemeinde das alte Gutshaus zur Nutzung zugewiesen worden. Doch in den 80erJahren stand das Gutshaus kurz vor der baupolizeilichen Sperrung. Ein Kirchenneubau zu DDR-Zeiten, das war eigentlich undenkbar. Auch die Leute im Konsistorium in Berlin waren skeptisch: "Lasst die Finger davon, sonst seid ihr Gutshaus und Acker los!" Doch schließlich kam Bewegung in das Projekt, obwohl sich der Kreis und der Bezirk Potsdam gegen das Vorhaben sperrten. Offiziell wurde ein Friedhofsgebäue errichtet – das erlaubten die Verantwortlichen. Tatsächlich entstand ein kleines Gemeindehaus. An Pfingsten 1985 war es dann soweit. Der Flachbau stand. Die Widmung der Kirche wurde gefeiert. Die Frauen schmückten die Eingangstür mit einer Girlande aus Birkenblättern. Vom Gutshaus, das wenig später abgerissen wurde, brachten sie mit dem Traktor den Altar, ein altes Harmonium und die Sitzbänke zu ihrem neuen Domizil hinüber. Zum Festgottesdienst drängten sich die Menschen in den kleinen Andachtsraum. Auch mehrere Kollegen von der LPG waren dabei - trotz eines Verbots durch den Parteisekretär. Ein Posaunenchor aus Lehnin spielte auf. Nach dem Gottesdienst gab es Kaffee und selbst gebackenen Kuchen. Es war ein Tag, den die Gemeinde bis heute nicht vergessen hat. Alle seien an jenem Pfingstnachmittag ergriffen gewesen, so erinnern sich die Älteren: "Es war wie ein Wunder." Es war das Wunder des Wortes Gottes, so wie es am Beginn des Johannesevangeliums beschrieben wird:

Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen... Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.

Das Wunder geht weiter. Das erleben wir heute. Daran freuen wir uns. Ich danke allen, die auch in schweren Zeiten der Gemeinde Jesu Christi die Treue gehalten haben. Möge die Gewissheit unseres Glaubens Ihre Gemeinde tragen und geleiten. Nutzen Sie diesen Raum in der Gewissheit: Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Und vielleicht trägt dieser Tag dazu bei, dass Sie erneut Feuer fangen und Leidenschaft entwickeln für Ihre Gemeinde in Schenkenberg für den Glauben an Jesus als den lebendigen Herrn und bekennen mit Josua: Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen.
Amen

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